08/1998

Wir bestimmen selbst!

Die Fristenlösung

Am 1. Jänner 1975 trat die Fristenlösung in Österreich in Kraft. 50 Jahre nachdem erstmals der Antrag auf Straffreiheit für Abtreibung gestellt wurde. Seither kann eine Schwangerschaft bis zum dritten Monat straffrei abgebrochen werden, danach nur aufgrund medizinischer Indikationen. Voraussetzung für die Durchführung ist eine vorhergehende ärztliche Beratung und die Durchführung durch eine/n ÄrztIn. ÄrztInnen können sich aus "Gewissensgründen" weigern, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Tatsächlich wird die Fristenregelung keineswegs in allen öffentlichen Spitälern durchgeführt.

Der Selbstbestimmung einen Schritt näher kommen

Die Straffreiheit für einen Schwangerschaftsabbruch hat Frauen einen Schritt näher zur Selbstbestimmung gebracht. Lange mußten Frauen, ob sie wollten oder nicht, ein Kind zur Welt bringen, oder sich einer illegalen und dadurch gefährlichen Abtreibung unterziehen. Wobei es natürlich soziale Unterschiede gab: eine reiche Frau fand schnell eine/n ÄrztIn, der/die eine "medizinische Indikation" festellte und den Schwangerschaftsabbruch durchführte. Eine sozial schlechter gestellte Frau, die sich ein (weiteres) Kind vielleicht nicht leisten konnte, blieb nur der Weg zur "Engelmacherin" oder zu irgendwelchen PfuscherInnen. Sie mußte ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, und auch noch riskieren ins Gefängnis zu kommen...

Alles so rosig?

Nein leider nicht. Wie schon erwähnt ist eine Abtreibung nur "straffrei", das heißt, der Staat sieht von der Verfolgung der Frau und des/der durchführenden ÄrztIn ab, aber eigentlich ist sie verboten. Somit wird abtreibenden Frauen das Stigma angehaftet, etwas Verbotenes getan zu haben, und somit wird es AbtreibungsgegnerInnen leichter gemacht, gegen diese Frauen zu hetzen.

Weiters sind die horrenden Kosten, zwischen 5.400 ÖS und 15.000 ÖS, für den Eingriff von der Frau selbst zu tragen, was besonders bei sozial schwächeren Frauen blanker Hohn ist.

Außerdem ist es für Frauen, die nicht in Wien leben, gar nicht so leicht ein Krankenhaus zu finden, das einen Schwangerschaftsabbruch durchführt. Im Burgenland, der Steiermark, in Salzburg, Tirol und Vorarlbert gibt es keins, in Kärnten gibt es zwar zwei Kliniken, die eine Abtreibung durchführen, aber nur bei medizinischer oder sozialer Indikation (die eine) oder gar nur bei einer unter 17jährigen oder über 40jährigen Frau (die andere). Die Entscheidung ob "Ja" oder "Nein" obliegt dem/der KlinikleiterIn. Dadurch bleibt einer Betroffenen oft nur der Weg in eine Privatpraxis, zum Gynäkologen oder zum praktischen Arzt, wo der Eingriff zwischen 10.000 ÖS und 15.000 ÖS unter oft mittelalterlichen Methoden - und dadurch eine Gefährdung für die Gesundheit der Frau - durchgeführt wird.

Stimmung in Österreich

Spätestens seit den letzten Sparpaketen (Streichung der Geburtenbeihilfe...) kann ein Rückgang der Geburtenrate verzeichnet werden, und es ist nicht mehr zu leugnen "Armut ist weiblich". Ein Großteil der alleinerziehenden Mütter lebt unter der Armutsgrenze... Viele Frauen und auch Familien können sich es einfach nicht mehr leisten, ein Kind in die Welt zu setzen. Ein Kind kostet sehr viel Geld, und die "Kinderbeihilfe" deckt nur einen Bruchteil der Kosten.

Der Rückgang der Geburtenrate versetzt viele in Panik. Von "Überfremdung" wird da fantasiert, und die ÖVP fordert "Künstliche Befruchtung auf Krankenschein, weil das 1000 Kinder mehr bringt" und ist gleichzeitig gegen Schwangerschaftsabbrüche. Und mensch wird das Gefühl nicht los, Frauen seien für den Staat nur "Reproduktionsmaschinen", die brav Kinder (neue SteuerzahlerInnen, Arbeitskräfte, WählerInnen, SoldatInnen, Geburtsmaschinen...) produzieren sollen, und das auch noch unter möglichst geringem Kostenaufwand für den Staat. Nicht umsonst ist die Familie die "Keimzelle" des Staates.

Jetzt ist die Diskussion über die Zulassung der Abtreibungspille "Mifegyne" losgebrochen und hat sich, wie zu erwarten war, sehr schnell in eine Diskussion über die Fristenlösung an sich verwandelt. Kurz: Die Fristenlösung wird in Frage gestellt!

AbtreibungsgegnerInnen

Die AbtreibungsgegnerInnen befinden sich im Aufschwung. Ihre Propaganda fällt auf fruchtbaren Boden, denn sie argumentieren Seite an Seite mit der Kirche, der ÖVP, und den anderen konservativen Kräften Österreichs.

Die bislang schlimmste Abteilung der selbsternannten "LebensschützerInnen", die aus den USA (wo Abtreibungsärzte bedroht und ermordet werden...) importierte rechtsextreme "Pro Life" Bewegung, belagert in Wien regelmäßig das Schwangerenambulatorium am Fleischmarkt, so daß die Klinik gezwungen ist, einen Sicherheitsdienst einzusetzen, um die zu ihnen kommenden Frauen vor Belästigungen der "Pro Life"-AktivistInnen zu schützen. Nicht genug damit, gehen diese "LebenschützerInnen" sogar so weit und vergleichen Mifegyne mit Zyklon B, das die Nazis zum Massenmord in den Gaskammern verwendeten! Damit befinden sie sich in Gesellschaft mit faschistischen "LebensschützerInnen", die immer wieder Abtreibung mit Holocaust gleichsetzen!

Ihre Frauenfeindlichkeit kennt keine Grenzen, so spricht Siegfried Ernst, Gründer der Europäischen Ärzteaktion (Faschistische "LebensschützerInnen"): "Keine Frau hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Sexualleben. Ihre höchste Gabe ist die Mutterschaft. Die Verwirklichung ihres Lebenssinns: Ehe und Familie". Und der Ex-Salzburger Weihbischof Eder meint: "Wenn eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wird, dann hat es ihr Spaß gemacht". Sein Nachfolger Weihbischof Laun faselt: "Eine Bestrafung (!) kann der Frau wesentlich bei der Aufarbeitung, die sicherlich sehr wichtig ist, helfen." (Laun, Das Kind)

Verhütung ist Frauensache?!

Nicht genug, daß die Kirche gegen die Abtreibung wettert, sie lehnt auch Verhütung ab. Trotzdem wird verhütet, aber wie? Es ist meistens die Sache von Frauen, Kondome zu kaufen, die Pille zu schlucken usw. Leider sind die meisten Verhütungsmittel entweder nicht sehr frauenfreundlich oder unzuverlässig. Die "Pille" ist ein massiver Eingriff in den Hormonhaushalt (Krebsrisiko), die Spirale verursacht oft verstärkte Regelschmerzen, und es sind schon oft genug Kinder auf die Welt gekommen mit der Spirale der Mutter in der Hand, das Kondom ist (vor allem in fixen Beziehungen) nicht jederman(n)s Sache - Achtung: Safer Sex ist (lebens)-wichtig! Aufgrund geringer Nachfrage forscht die (natürlich sehr kritisch zu sehende) Pharmaindustrie sehr schleppend in Richtung "Pille für den Mann", 3-Monats-Spritze usw. Vasektomie (vulgo Sterilisation) ist für Menschen, die sich dafür entschlossen haben, keine Kinder (mehr) zu kriegen, sicher die sicherste und gesündeste Methode zu verhüten, darf erst ab dem 26. Lebensjahr durchgeführt werden. Es ist fraglich, ob sich Frauen überhaupt auf die Zuverlässigkeit eines Mannes verlassen wollen, aber es sollte trotzdem Verhütungsmittel für Männer geben.

Wir bestimmen selbst!

Wir Frauen bestimmen selbst über unsere Sexualität und über unseren Körper! Das heißt: Wir haben Sex aus Spaß und nicht damit wir Kinder kriegen, und wenn wir schwanger werden, entscheiden WIR, ob wir die Schwangerschaft beenden oder nicht, ohne daß wir uns vor irgendwem rechtfertigen! Die Gründe, warum wir einen Schwangerschaftsabbruch machen lassen, gehen nur uns selbst was an und sonst niemanden. Wir lassen uns nicht einspannen als Gebärmaschinen, die diesen Staat mit SteuerzahlerInnen oder sonstigem versorgen, Pro Life Marschierer Fischer kann sich sein Pensionsmodell a la : "Zwanzig Jahre Abtreibung bedeuten 2,3 Millionen verlorene Kinder, die uns jetzt natürlich als Steuerzahler fehlen" sonst wohin stecken! Wir lassen uns nichts verbieten und auch nicht einschüchtern!

Für kostenlose Verhütung
Vasektomie möglich ab 18 Jahren
Für Abtreibung auf Krankenschein
Mifegyne per VertrauensärztIn
Keine Antastung der Fristenlösung
Keine Einmischung der Kirche
Stoppt "Pro Life"

Für ein starkes, selbstbestimmtes Leben!!!

{rosa antifa wien}