06/1998

Freie Liebe - freies Leben

Gegen Verbote im Gesetz und in den Köpfen

Klar sind wir für die Abschaffung des §209, des Diskriminierungsparagraphen, der schwule Beziehungen unter 18 Jahren verbietet, und freiwillige sexuelle Beziehungen zwischen über 19- und unter 18jährigen Männern, mit bis zu 5 Jahren Gefängnis bedroht. Aber wir geben uns nicht der Illusion hin, daß sich dadurch die Meinung der Gesellschaft gegenüber Homosexuellen ändern würde. Die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Beziehungen würde nicht die Hetze der Kronenzeitung und den homophoben Konsens in der Bevölkerung ändern. Genauso wie die Gleichstellung der Frau nur auf dem Papier besteht. Natürlich wäre die Abschaffung des §209 eine konkrete Verbesserung der Situation für Schwule, aber ändern sich dadurch die Vorurteile, großteils geschürt durch die Medien, gegenüber gleichgeschlechtlich L(i)ebenden? Es wird ein Symptom der Gesellschaft bekämpft und nicht die Ursachen der Unterdrückung. Die Gesetze sind ja nur der Gipfel eines Eisberges aus veralteter Moral, Intoleranz und schwulenfeindlicher Grundstimmung. Homophobe Witze werden immer noch Leute zum Lachen bringen, Herr und Frau Meier werden zwei Männer die sich küssen noch immer widerlich und abnormal - krankhaft finden, das "Täglich Alles" wird noch immer behaupten, Schwule seien an den Fingerabdrücken zu erkennen, Nazis und Aktivbürger werden weiter Gewalt sprechen lassen, wenn ihnen die Argumente ausgehen, usw. usf. Die Benachteiligung von Homosexuellen läßt sich ebensowenig durch Gesetze aufheben, wie sie nur durch Gesetze ausgeübt wird. Wie kommt irgendwer dazu, Menschen vorzuschreiben wen und wie sie zu l(i)eben haben, aber der Staat und die Gesellschaft tun es. Sie bestimmen was "normal" ist und was "krankhaft" und "pervers". Z.B: Im Aufklärungsunterricht wird einem erzählt wie es "Männchen und Weibchen" miteinander tun, und es wird als das "normale" vermittelt. Daß es da auch noch was anderes gibt, wird entweder verschwiegen, als etwas abnormales aber zu tolerierendes, oder gar als etwas "krankes" dargestellt. Von Kindheit auf wird mensch erzählt, er wird sich in das andere Geschlecht verlieben, Sex haben (natürlich nur hetero), heiraten und Kinder kriegen. Es lebe die verklemmte Reproduktionsgesellschaft. Schluß damit! Niemand hat das Recht sich in Liebes- und Sexbeziehungen einzumischen, schon gar nicht der Staat. Natürlich ist klar, daß die Beziehungen, egal in welcher Form und welchen Vorlieben, mit dem Einverständnis aller Beteiligter ablaufen müssen. Nach der gesellschaftlichen Vorstellung von Sex, findet er aber nur in Verbindung mit "Liebe", heterosexuell und in Form von Penetration statt. So wird lesbischer Sex nicht ernst genommen, laut Gesetz läßt er sich nicht von Körperwäsche(?) unterscheiden, es findet ja keine Penetration statt. Und im Gegensatz zum Ekel, den heterosexuelle Männer Schwulen entgegenbringen, werden zwei Frauen, die etwas miteinander haben, als "geil" empfunden; "weil da haben ja auch Männer was davon" (ehrlich schon gehört). Die Darstellung in Heteropornos unterstreicht das: zwei Frauen "vergnügen" sich miteinander, Mann schaut zu, wird dadurch unglaublich erregt, kommt dazu und zeigts ihnen dann so richtig. Dauernd kriegen lesbische Frauen zu hören, sie hätten nur noch keinen "richtigen" Mann gehabt, sie wissen nicht was ihnen entgeht und überhaupt, sie können sich ja nicht den Männern entziehen. Anscheinend sind für diese miesen Macker Frauen nur zur Befriedigung von Männern da, und eine eigene, selbstbestimmte Sexualität gibt es für Frauen schon gar nicht.

Seit einiger Zeit hat die Marktforschung entdeckt, daß Homosexuelle anscheinend kaufkräftig sind denn inzwischen gibt es immer mehr Werbung, die ein homosexuelles Zielpublikum (hauptsächlich weiß , männlich, Mittelstand) anspricht. So wirbt z.B. Ikea mit der gemütlichen Einrichtung fürs schwule Wohnzimmer. Aber bloß, weil bei denen jetzt die Kassa mit teils schwulem Geld klingelt, sind sie nicht toleranter geworden. Auch wenn sich z.B. Alfons Haider outet, heißt das nicht, daß ein normal sterblicher Homosexueller für die gleichen Leute, die den Promi toll finden, nicht der Meinung der Kronenzeitung recht geben, daß Schwule 45 - 50jährige, geifernde, "Kinderschänder" sind, die mit minderjährigen Strichjungen Sex haben, und die Verbreiter der "Schwulenseuche" AIDS sind.

Bloß weil die EU die österreichischen Diskriminierungsparagraphen verurteilt, heißt das nicht, daß sie was gegen die EU-weite Abschiebepolitik, die in österreich besonders hart ist, hat. Wenn ein homosexueller Mensch aus einem Land flüchtet, in dem er verfolgt, mit Gefängnis oder mit Todesstrafe bedroht wird, dann ist das, ebenso wie Vergewaltigung, kein Asylgrund. Warum? Weil in dieser Gesellschaft keine abweichende sexuelle Orientierung erwünscht ist. Wer nicht Heter@ ist, soll draußen bleiben, und wer nicht EU-Bürger ist sowieso. Viele Lesben und Schwule werden abgeschoben, weil sie nicht heiraten dürfen (was bei heterosexuellen Menschen ohne österreichischen Paß auch mit immer mehr Schikanen bedacht wird) und sie dadurch keine Aufenthaltsbewilligung bekommen.

Die Forderung nach gleichgeschlechtlicher Ehe ist verständlich, wenn es um die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen geht, aber wir stehen der Ehe an sich (ob Homo oder Hetero) kritisch gegenüber, weil es für uns keine Beziehung mehr ist, sondern ein vertraglich geregeltes Besitzverhältnis. Natürlich ist eine rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wichtig, da es zur Zeit keine Rechte für Homosexuelle im Erbrecht, im Krankenhaus, für Adoptionen ... gibt. Aber auch dadurch würde sich die Gesellschaft und ihr Umgang mit LesBiSchwulen Menschen höchstens geringfügig ändern: Herrn und Frau Meier würde noch immer grausen, Homosexuelle müßten sich noch immer möglichst unauffällig verhalten, sonst könnte ja die Gleichstellung wieder entzogen werden, homophobe übergriffe seitens der Polizei wären noch immer an der Tagesordnung usw. Wer??s nicht glaubt, sollte sich mal die Situation von Frauen anschauen: Rechtlich sind sie gleichgestellt, aber sie verdienen noch immer weniger als Männer, werden noch immer belästigt, geschlagen und vergewaltigt... Die Gesellschaft hat sich nicht verändert, sie hat ihren sexistischen Konsens nicht verloren, ebensowenig wird sie ihren homophoben verlieren, bloß weil sich die Gesetze ändern, und scheinbare Akzeptanz gezeigt wird.

Es reicht uns nicht, daß wir uns in unsere "Ghettos" und Nischen zurückziehen können, damit wir keinen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Wir wollen überall, ohne gesetzlichen, moralischen, sozialen oder sonstigen Druck ausgesetzt zu sein, leben und lieben können. Wir wollen Spaß haben können. Mit wem (ob zu zweit, zu dritt, zu tausend) und wie wir (und alle Beteiligten) wollen. Wir wollen frei und selbstbestimmt leben können. Wir wollen uns nicht mehr über unsere sexuelle Orientierung definieren und auch niemanden anderen. Es ist egal, ob mensch homo, hetero, bi, asexuell oder sonstwie ist, oder warum. Schlußendlich wollen wir, daß es überhaupt keine Einteilungen in verschiedene Menschen mehr gibt, nach denen sie bewertet und in Schubladen gesteckt werden. Wir wollen keine Aufteilung in In- und AusländerInnen, in Arme und Reiche, Gesunde und "Kranke", oder eben Homo- und Heterosexuelle. Wir wollen, daß jeder Mensch die gleichen Möglichkeiten und Freiheiten hat, sein/ihr Leben zu gestalten. Das alles wird mensch nur in einer HERRschaftsfreien Gesellschaft können, in der niemand außer den Betroffenen selbst bestimmen kann, was sie wollen und was gut für sie ist!

Für freies Leben und Lieben!

Für Anarchie!

{rosa antifa wien}