07/1998

Ein bißchen was Grundsätzliches

Wer wir sind - Selbstdarstellung

Die Rosa Antifa Wien ist im Sommer 1995 von jungen AntifaschistInnen gegründet worden. Warum Rosa? Ganz einfach, weil uns die vorherrschende Homophobie in dieser Gesellschaft und leider auch in der linken Szene angekotzt hat. Sprüche wie "Iii! Da sind ja Schwule, da geh ich nicht hin, weil da kann ich mir ja AIDS holen..." konnten und wollten wir, auch und gerade von unseren "eigenen" Leuten, nicht mehr hören. Wir fühlten uns in unserer Freiheit von der Szene eingeschränkt, da Leute, die nicht in einer braven Zweierbeziehung leben wollten, mit bösartigem Klatsch und Tratsch bedacht wurden (und werden). Weil es nicht möglich war, über Sexualität zu reden, ohne daß alle einen hochroten Kopf bekamen. Weil noch immer Leute glauben, mensch müsse SadomasochistInnen psychiatrisch behandeln lassen. Oder daß lesbisch oder schwul sein "heilbar" sein müsse. Weil viele glauben, hetero/a sein, sei "normal" oder "natürlich". Wir wollten einfach in Beziehungsformen leben können, die wir (alle jeweils Beteiligten) uns selbst aussuchen, ohne diskriminiert zu werden. Wir wollen lieben, wen und wie wir wollen (wenn die/der das auch will).

Auch wenn wir ROSA Antifa heißen, bedeutet das nicht, daß nur Homosexuelle bei uns mitarbeiten können, wir lehnen jeglichen Sexualitätsnachweis ab! Die sexuelle Orientierung einer Person ist für uns nicht ausschlaggebend. Wir wollen die HERRschenden Zustände ändern: Wir kämpfen gegen die Aufteilung von Menschen in Homo- und Heterosexuelle, InländerInnen und AusländerInnen, Männer und Frauen, Gesunde und Kranke, Reiche und Arme, ... und gegen die damit verbundenen Rollenzuteilungen und Wertigkeiten. Wir sind nämlich alle einfach Menschen, und das muß verdammt noch mal Grund genug sein, daß jedeR das Recht hat, in Frieden ein angenehmes Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen! Genau dieses Recht wird uns aber tagtäglich vorenthalten. Denn damit das System funktioniert, muß die Teilung aufrecht erhalten, und nach Möglichkeit noch vertieft werden, die Teilung in die, die treten, und die, die getreten werden.

Und getreten werden wir genug

Tagtäglich werden Frauen und Mädchen ausgebeutet, sexuell belästigt und vergewaltigt. Sie werden von " ihren" Männern, Vätern, Brüdern, Chefs und vom Staat als ihr Eigentum angesehen. Die Selbstbestimmung über ihr Leben und ihren Körper wird ihnen verweigert. Sie sollen am besten hinterm Herd stehen und die Kinder hüten, für geringen Lohn viel arbeiten, ihren Mann versorgen und befriedigen, sich dem Diktat der Werbung fügen und Kosmetika konsumieren.

NEIN! Zerbröselt das Patriarchat!

Wir wollen keine Erziehung (Eltern, Kindergarten, Schule, Lehre...), die Menschen erst bricht, und dann zum Funktionieren erzieht, damit sie möglichst produktiv sind. Wir wollen nicht für Kohle (damit wir leben können), für keine Chefs, für keine Bonzen, die sich durch uns bereichern, arbeiten. Wir sehen nicht ein, warum wir für öffentliche Verkehrsmittel, Wohnungen, Lebensmittel und andere Selbstverständlichkeiten zahlen sollen. Wir sehen nicht ein, warum Leute in Knäste gesteckt werden, weil sie den " falschen" Reisepaß haben, weil sie hinter einem Strich auf der Landkarte geboren wurden, und dadurch "Menschen 2. Klasse" sind! Warum gibt es überhaupt Knäste, in denen Leute sitzen, die sich nicht an die HERRschenden Gesetze gehalten haben, oder sich nicht daran halten konnten. Warum sitzen in Gefängnissen hauptsächlich Leute, die Eigentumsdelikte begangen haben? Leute die ihren Hunger stillen wollten, die Schulden hatten, die die heile Welt, die ihnen die Werbung vorgespiegelt hat und den sozialen Druck, auch ein Prestige-Objekt besitzen zu müssen, nicht mehr ertragen konnten. Warum müssen wir eine allgegenwärtige, aufgerüstete Polizei ertragen, die die Gesetze zum Schutz der Reichen vor den Armen durchsetzt, und uns in allen Lebensbereichen bespitzelt, kontrolliert und schikaniert. Zu ihren Gesetzen gehört nicht zuletzt, daß wir mithelfen müssen, Menschen hinzuschlachten, in Kriegen, in denen es immer wieder nur um Geld, Macht und Einfluß der HERRschenden geht. Wieso werden diese Kriege auch noch von einer Kirche abgesegnet, die hierzulande als die römisch-katholische eine ihrer schlimmsten Ausformungen angenommen hat. Eine Kirche, die mit Ihrer Moral und ihren Geboten die Selbstbestimmung einschränkt, Sexualität verteufelt, Verhütung verbietet, und überhaupt alle in monogame, kinderreiche Hetero-Ehen zwingen will. Eine Kirche, die ebenso wie der Rest der Gesellschaft nie ihre faschistische Vergangenheit aufgearbeitet hat. Im Gegenteil, es sind noch immer unzählige Altnazis in Amt und Würden, von der allgemeinen Akzeptanz ihrer Geisteshaltung ganz zu schweigen. Durch diesen allgemeinen rassistischen Konsens ist der Boden für ihre Nachfolger schon bereitet.

All das kotzt uns einfach an, und was uns übrigens auch ankotzt, ist dieTatsache, daß die Rolle, die uns von der Gesellschaft zugewiesen wird, eine ist, in der wir nach dem "RadfahrerInnenprinzip" agieren sollen: "nach oben buckeln, nach unten treten", daß wir selber Teil der allgemeinen Unterdrückungspyramide sind. Als Typen gegen Frauen, als MitteleuropäerInnen gegen die "3. Welt", als Studis gegen "Ungebildete", als Arbeitende gegen Arbeitslose u.s.w. Je nachdem, was auf uns jeweils zutrifft.

Und es kotzt uns vor allem deswegen an, weil wir der überzeugung sind, daß es auch anders geht, daß die ganze Scheiße überhaupt nicht notwendig wäre, wenn sich grundsätzlich etwas ändern würde, und genau das halten wir für dringend notwendig, und eben durchaus für machbar. So ist es z.B. absolut irrational, daß noch immer alle ihr ganzes Leben zu arbeiten haben, um sich einen halbwegs erträglichen Lebensstandard erhalten zu können, wobei doch von all den Gütern eh mehr als genug da ist, bzw. da sein könnte. Nur haben eben bestimmte Leute, nämlich die, die nicht dafür zahlen können, keinen Zugang dazu.

Was wir wollen ist...

....eine Welt, in der es eben reicht ein Mensch zu sein, um gleichberechtigten Zugang zum Reichtum der Gesellschaft zu haben (der ja unbestritten vorhanden ist). In der Menschen arbeiten, weil sie selbst sich dafür entschieden haben, und nicht weil sie müssen, und dadurch all das herstellen, was sie selbst und andere brauchen, und was dann eben auch ihnen und allen anderen frei zur Verfügung steht. Eine Bedarfswirtschaft eben, keine "freie Marktwirtschaft". Eine Art und Weise zu produzieren, in der Produzierende genauso wie die "KonsumentInnen" die Entscheidungen treffen, was sie wollen und können, und nicht das Streben nach Profit der alleinige Antrieb ist, sondern wirklich das Streben nach der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen. Das zu wollen gibt der Kapitalismus ja nur recht durchschaubar vor, denn in letzter Konsequenz schließt die Orientierung auf Erwirtschaftung eines Gewinns genau das ja aus. Solange nämlich damit Geld verdient wird, daß Leute bestimmte Bedürfnisse haben, dürfen diese nie ganz gedeckt, bzw. die Mißstände, die die Bedürfnisse noch verstärken, nicht beseitigt werden, damit das System weiter funktionieren kann. So würde z.B. der "freie" Wohnungsmarkt zusammenbrechen, wenn alle eine Wohnung hätten und es keine Obdachlosigkeit mehr gäbe, die ölindustrie ginge Pleite, wenn sinnvolle Energiequellen genutzt werden würden, die uns nicht die letzte Luft zum Atmen verpesten, es gäbe keine Pharmaindustrie, die überhaupt kein Interesse daran hat, vorbeugende Maßnahmen zu treffen, daß Menschen gar nicht erst krank werden, oder besonders "einträgliche" Krankheiten auszurotten usw. usf. Alternativen oder dahingehende Forschungsansätze werden unterbunden, da die, die davon profitieren, die Selben sind, die auf dieser Welt das Sagen haben. Wer das Geld hat, hat die Macht. Wir wollen aber niemanden, der die Macht hat, wir wollen niemanden, der uns regiert, wir brauchen keine Führer, wir können selber denken und handeln. Wir brauchen keine Wahlen, denn wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten, wir lassen uns nicht verarschen. Wir wollen einfach frei Leben können. Von niemanden unterdrückt werden und niemanden unterdrücken. Deshalb sind wir keine Partei, bei uns gibt es keine Mitglieder und keine Hierarchie, was wir tun und schreiben entscheiden wir gemeinsam. Unsere Flugblätter und Zeitung sollen keine allgülltigen "Weisheiten" darstellen, das sind unsere Gedanken und sollen nur zum selber Nachdenken anregen. Die Leute die das lesen, sollen sich selber eine Meinung bilden. Wir versuchen hauptsächlich zu informieren und zu sagen, daß es auch anders gehen könnte.

Neben den üblichen Arten, sich politisch zu artikulieren (Flugis, Zeitung, Kundgebungen, Demos, Kiss Ins...), versuchen wir auch durch Straßentheater etwas zu vermitteln. Daß wir jedoch keine breite öffentlichkeit haben ist klar, wir haben halt kein Fernsehen (bald aber eine Radiosendung!) und Zeitungen in millionenfacher Auflage. Hinter uns steht eben nicht das Kapital. Wir finanzieren unsere Schriften, Büro und Aktionen durch freiwillige Selbstausbeutung und ab und zu ein Fest. Wir verlangen für unsere Sachen kein Geld, freuen uns natürlich aber riesig über Spenden und Feedback (auch wenn es Kritik ist). Dadurch ist es uns möglich weiter zu arbeiten.

Wir geben nicht auf, sie kriegen uns nicht klein!

{rosa antifa wien}