22.02.2001

§248 / Abs 36

Widerstandswoche 56

RASSISMUS

# Die drei Fremdenpolizisten, die am 1. Mai 1999 den nigerianischen Asylwerber Marcus Omofuma beim Abschiebungsflug nach Bulgarien qualvoll erstickten, sollen aufgrund eines Beschlusses der Disziplinarkom-mission des Innenministeriums vom 06.02. wieder ihren Dienst versehen.

# Laut 'Presse' machten am Wr. Neustädter 'Platz der Menschenrechte' 8 Beamte Jagd auf vermeintliche "Illegale". Zwei aus Indien stammende Familien wurden Opfer der brutalen Amtshandlung, zwei Männer wurden sofort nach dem Aussteigen zu Boden geworfen und mit Handschellen gefesselt. Ein 45-jähriger erlitt leichte Verletzungen, sein Beifahrer musste während der gesamten Amtshandlung gefesselt im Regen stehen bleiben. Alle Kontrollierten besaßen die österreichische Staatsbürgerschaft, mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Beamten.

# Zu einer ungerechtfertigten Verhaftung kam es am 16.2. in Wien Favoriten. Ein jugendlicher Afrikaner wurde wegen angeblichen Drogenhandels angehalten, als keine Drogen gefunden wurden, geschlagen, damit er das "Versteck" nennen sollte und nachdem ihm ein solches nicht bekannt war weiter geschlagen. Er wurde anschließend wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" in U-Haft genommen.

RESTITUTION

# Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant übt Kritik an der Bundesregierung. Diese habe bei den Restitutionsverhandlungen offenkundig das Ziel gehabt "Schnell abwickeln, möglichst wenig bezahlen und dann einen Schlussstrich ziehen." Muzicant hatte dem Ergebnis der Verhandlungen nicht zugestimmt.

KULTUR

# "Keine Millionen für linke Denkfabrik" mit dieser Erklärung Jörg Haiders, als Reaktion auf das neue Konzept des aktionstheater ensemble Wien/Vorarlberg, für die Bühne Villach, ist einem weiteren Theater der Todesstoß versetzt worden. Die Bühne Villach ist geschlossen.

AM RANDE

# Blaue Ministerinnen haben's schwer - wie Monika Forstinger erfahren musste. Gerade mal zwei Stunden hielt ihr neuer Rufnummernplan, dann musste die Ministerin zurückziehen. "Unter Vortäuschung falscher Tatsachen durch den zuständigen Sektionschef" sei die ganze Peinlichkeit zustande gekommen hieß es dann. Dummerweise bezeugt der ehemalige Kabinettchef Willi Berner, dass die Ministerin selbst ausführlich informiert war, ihre Beschuldigungen seien eine "Schweinerei". "Die Frau Ministerin wird dem Land noch sehr viel Freude bereiten" ist hingegen Peter Westenthaler überzeugt.

# Das Handelsgericht Wien hat der FPÖ Wien per einstweiliger Verfügung den Einsatz zweier Werbespots untersagt, in denen Charaktere der ORF-Comedy "MA 2412" nachgeahmt werden. Alfred Dorfer, Roland Düringer und Monica Weinzettl hatten geklagt.

# Die OrganisatorInnen von Checkpoint Opera machten dem Innenministerium ein Angebot: Sie seien bereit auf die Blockaden zu verzichten, wenn das Ministerium seinerseits, die für den Polizeieinsatz vorgesehenen Mittel an den 'Augustin' zur Errichtung eines Schlaf- und Kommunikationszentrums spenden würde. Eine Antwort Strassers ist nicht überliefert.

Deutsche Arbeit

Im Unrast-Verlag ist soeben eine historische und theoretische Abhandlung über die Rolle, die die Vorstellung von "deutscher Arbeit" und "jüdischer Nicht-Arbeit" für den deutschen und österreichischen Antisemitismus ge-spielt hat und immer noch spielt erschienen. Holger Schatz und Andrea Woeldike untersuchen dabei den deutschen Arbeitsbegriff und versuchen auch Unterschiede und Parallelen der Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland einerseits und Frankreich oder Großbritannien andererseits herauszuarbeiten. Die AutorInnen gehen dabei ausführlich auf den lutherisch geprägten Arbeitsbegriff der Reformation ein, aus dessen Konsequenz eine allgemeine Arbeitspflicht entstand. Arbeit wurde nicht mehr als notwendiges Übel, sondern als Wert an und für sich betrachtet. Arbeits- und Zurchthäuser entstanden so als erstes in reformierten Städten wie Amsterdam, Hamburg oder Lübeck. Die Entwicklung zum Kapitalismus ging in der Folge nicht ohne Widerstand vor sich. Dieser Widerstand war aber nur zum Teil fähig den Kapitalismus als System zu Begreifen und ihn damit auch als abstraktes System zu kritisieren. Das abstrakte, sich scheinbar wie selbst vermehrende Kapital, wurde so personifiziert und mit "den Juden" gleichgesetzt. Eng verbunden mit einer solchen "Kapitalismuskritik", die den "ehrlichen Handwerker" dem "jüdischen Geldverleiher" gegenüberstellte, war schließlich die Entwicklung eines völkisch definierten Nationalismus. "Es gab in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland vereinzelt Vorstellungen, die den nationalen Gedanken in einen engen Zusammenhang mit den für notwendig erachteten gesellschaftlichen Veränderungen stellte, doch je mehr der nationale Gedanke an Bedeutung gewann und sich allgemein druchsetzte, desto stärker traten seine bereits von Anfang an angelegten restaurativen Züge in den Vordergrund. Dies hielt zwar die Kapitalisierung der Gesellschaft nicht auf, ermöglichte aber eine Glorifizierung der Vergangenheit. In der Imagination der Juden als 'Gegenrasse' konnte ihnen all das zugeschrieben werden, was innerhalb der deutschen Staaten als 'unerfreuliche Modernisierungsprozesse' wahrgenommen wurde. 'Die Juden' wurden zu Agenten des kapitalistischen Systems gemacht und damit in einen Gegensatz zum 'deutschen Volk' gestellt." (S 30)

Ein solcherart national definierter "Antikapitalismus" war nicht ausschließliches Privileg des Nationalsozialismus und seiner Vorläufer, sondern wurde auch immer wieder von "Linken" geteilt oder zumindest als möglicher Ausgangspunkt eines "echten Antikapitalismus" gesehen. Die ideologische Grundlage für solche Parallelen der bewegungsmarxistischen deutschen Linken mit dem völkischen Antisemitismus bildet eine verkürzte Kapitalismuskritik und ein ähnlicher Arbeitsbegriff, eine ähnliche Verherrlichung der manuellen "ehrlichen Arbeit" durch die Linke wie durch die Rechte. Inhaltliche Überschneidungen rechter wie linker ArbeitsfetischistInnen belegen die AutorInnen mit einer Reihe von Zitaten, die die Anbiederung von Teilen der deutschen Linken an die Nazis illustrieren sollen. So erklärte etwa das Mitglied der Zentralkomitees der KPD Ruth Fischer 1923 in einem Referat vor konservativen Studenten: "Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren? Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Sie sind gegen das Judenkapital und wollen, die Börsenjobber niederkämpfen. Recht so. Tretet das Judenkapital nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie. Aber, meine Herren, wie stehen sie zu den Großkapitalisten, den Stinnes, Klöckner?" (S63)

Daß solch offene Unterstützung eines mörderischen Antisemitismus in der gegenwärtigen Linken im PC-Filter hängen bleibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es immer noch große Teile der Linken gibt, die Antisemitismus und Rassismus insgeheim für eine Art "Sozialismus des dummen Kerls" halten und glauben die RassistInnen und AntisemitInnen nicht bekämpfen zu müssen, sondern an ihren "antikapitalistischen Instinkten" ansetzen zu können und aus einem Ressentiment gegen "die da Oben" einen fortschrittlichen Antikapitalismus zaubern zu können, indem sie die rassistischen und antisemitischen Arbeitermassen endlich über ihre wahren Feinde aufklären. Einer solchen Logik ist mit Moische Postene zu erwiedern, der bereits 1979 schrieb: "Die Linke machte einmal den Fehler, zu denken, daß sie ein Monopol auf Antikapitalismus hätte oder umgekehrt, daß alle Formen des Antikapitalismus zumindest potentiell fortschrittlich seien. Dieser Fehler war verhängnisvoll, nicht zuletzt für die Linke selbst."

Braunes Österreich

Schon etwas länger ist ein interessanter Sammelband über die politische Entwicklung in Österreich auf dem Markt. Wenige Monate nach der Machtergreifung der schwarzblauen Koalition erschien das "Braunbuch Österreich" im Konkret-Verlag. Mit Texten von Hermann L. Gremliza, Erwin Riess, Gerhard Scheit, Wolfgang Purtscheller, Heribert Schiedel und anderen wird das Phänomen Österreich und die FPÖ auch für bundesdeutsche Leser ausgeleuchtet. Auch für den "Widerstand" in Österreich sind aber sehr spannende Beiträge zu finden, wie jener, der unter dem Titel "Bewegt es sich?, Der sogenannte Widerstand" eben diesen einer kritischen Beleuchtung unterzieht.

Holger Schatz /
Andrea Woeldike:
Freiheit und Wahn deutscher Arbeit
Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion
Reihe Antifaschistischer Texte/Unrast-Verlag
ISBN 3-89771-805-7

Hermann L. Gremliza (Hg.):
Braunbuch Österreich
Ein Nazi kommt selten allein
Konkret-Verlag
ISBN 3-930786-28-1