11.01.2001

§248 / Abs 31

Widerstandswoche 50

FPÖ-Parteitag in Wien

Am 21. Jänner will die FPÖ 5000 FunktionärInnen und SympathisantInnen nach Wien mobilisieren. Damit wollen sie Stärke demonstrieren, um dann im Wahlkampf ihre reaktionären Ideen verbreiten zu können. Linkswende, KPÖ, ASt, EKH und co. organisieren eine Gegenkundgebung vor der Kurhalle Oberlaa (U1 bis Reumannplatz, Linie 67 bis zur Endstation), Beginn: 9 Uhr
Einige andere Gruppen wie die ÖKOLI mobilisieren zwar zur Kundgebung gegen den FPÖ-Parteitag, unterstützen aber die gemeinsame Erklärung und den gemeinsamen Aufruf von Linkswende, KPÖ und Co. nicht, da sich unter den ErstunterzeichnerInnen die "Offensive für Tierrechte", eine holocaustrelativierende und antispezizistische TierRECHTSgruppe, befindet.

3. Februar 2001: weltweiter Aktionstag gegen FPÖ

Ein Jahr nach der Machtübernahme einer Regierungskoalition unter Beteiligung der rechtsrechten FPÖ in Österreich, soll am 3. Februar eine Großdemonstration in Wien stattfinden. Am selben Tag wurden alle AntifaschistInnen weltweit dazu aufgerufen, Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungen vor österreichischen Konsulaten und Botschaften abzuhalten um ein klares Zeichen gegen jede Regierungsbeteiligung derartiger Parteien zu setzen.

Neuer Verhandlungstag im Prozeß Karl Pfeifer gegen "Zur Zeit"

Im Prozeß zwischen dem Journalisten Karl Pfeifer und der rechtslastigen Wochenzeigung Zur Zeit findet der nächste Verhandlungstag am 18.1. um 11.50h im Saal 312 des Landesgerichtes statt. Unter einem Pseudonym behauptete die Zur Zeit, der "Tugendterror" des "jüdischen Journalisten" hätte einen rechtsgerichteten Politikwissenschafter in den Selbstmord getrieben. ProzeßbeobachterInnen sind erwünscht.

Koalitionsstreit ums Kindergeld

Sozialminister Herbert Haupt (F) wendet sich in der Kindergeld-Frage vehement gegen das am Montag präsentierte Modell seines Parteikollegen Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Vor dem Ministerrat meinte Haupt am Dienstag, er halte den Grasser-Vorschlag für verfassungswidrig. Damit bezieht sich Haupt in erster Linie auf die Zuverdienstgrenze, die in einem Experten-Gutachten als nicht verfassungskonform bezeichnet werde. Der Sozialminister hat nun Grasser dieses Gutachten übergeben und ist "guten Mutes, dass der Finanzminister seine Meinung revidieren wird". Haupt selbst spricht sich nun für ein "Kindergeld für alle ohne Schlechterstellung für Alleinerzieherinnen" aus. Seiner Ansicht nach sind dafür auch die finanziellen Ressourcen vorhanden. Wie das Modell dann im Detail aussehen soll, bedürfe allerdings noch Verhandlungen, erklärte der Sozialminister. Grasser hatte sich am Montag für eine Zuverdienstgrenze von rund 21.000 Schilling monatlich beim Kindergeld ausgesprochen. In Anlehnung an das Regierungsübereinkommen sollte die Gewährung des Kindergeldes in den ersten beiden Jahren auf das Einkommen der Frau abgestellt werden, im dritten Jahr auf jenes des Mannes. Bei Alleinerzieherinnen soll deren Einkommen alle drei Jahre herangezogen werden, hatte der Finanzminister vorgeschlagen (APA)

Faschismustheorie und Gesellschaftskritik

Die Protestbewegung gegen schwarz-blau ist auch ein Jahr nach der Machtübernahme einer Koalition unter Einschluß der FPÖ weitgehend jeder Beschäftigung mit Faschismus-theorien aus dem Weg gegangen. Mit dem Erscheinen eines zusammenfassenden Einführungswerkes aus dem Unrast-Verlag wird es nun jedoch auch "EinsteigerInnen" erleichtert, aus der Theorie des Faschismus eine Kritik der Gesellschaft zu formulieren, bzw. die Aktualität von Faschismustheorien für aktuelle Gesellschaftskritik zu erarbeiten.

Der Großteil der in diesem Band gesammelten Beiträge wurde im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der jour fixe initiative berlin als Referat in Berlin gehalten und stellt bewußt die behandelten Theorien so vor, daß sie ohne spezifische Vorkenntnis oder Lektüre der Originaltexte verständlich bleiben. In so fern stellt das Buch auch eine ideale Einführungslektüre für LeserInnen dar, die sich erstmals mit Faschismustheorien beschäftigen wollen.

Besonders interessant ist dabei für uns die Kurzdarstellung der Studien der Kritischen Theorie zum autoritären Charakter, die bereits in der Ära des Bewegungsfaschismus, der sich zumindest in Deutschland noch nicht an der Macht befand, enstanden sind, insbesondere von Theodor W. Adorno aber auch nach der Schoa weiter ausgebaut wurden. Adorno betrachtet faschistische Einstellungen dabei weniger als rationale Ideologie, sondern als Folge eines autoritären Charakters des einzelnen Faschisten. Für den autoritären Charakter eines schwachen Ichs wird dabei eine Radfahrernatur als charakteristisch gesehen, die aus Nach-oben-strampeln und Nach-unten-treten besteht. Zugleich existiert ein ausgeprägter Wunsch nach Unterwerfung, so wie Agression gegen Schwächere. Statt gegen die eigenen Autoritäten zu rebellieren, kompensiert das von der patriarchalen Familie geprägte schwache Ich seine Unfähigkeit, eine selbstbestimmte Persönlichkeit zu entwickeln, durch eine konformistische Rebellion und ein Aufgehen in einem bestimmenden Kollektiv, im Volk oder der Nation. Jeder "kleine Mann" kann sich so, sei er auch noch so klein, als Mitglied eines geschichtsmächtigen Kollektivs betrachten, das auch noch einen Schuldigen für alle negativen Entwicklungen, die über dieses Kollektiv hereinbrechen, findet. Das eigene geschichtsmächtige Kollektiv benötigt geradezu den Gegner, den Schuldigen, das Gegenkollektiv, um sich überhaupt zu konstituieren.

Der ambivalente Wunsch des autoritären Charakters, sich gleichzeitig einer Autorität unterwerfen zu können und dieser anzugehören, führt dazu, daß das schwache Ich seine Agressionen gegen Fremdgruppen richten muss, weil es nicht in der Lage ist, sie gegen Autoritäten der eigenen Gruppe zu richten. Adorno legt schließlich auch Wert darauf, daß die strukturellen Bedingungen, die Auschwitz ermöglicht haben, nicht aus der Welt geschafft wurden. Auschwitz wird im Allgemeinen als historischer Rückfall in die Barbarei gesehen. Adorno betont aber, daß diese Möglichkeit des Rückfalls in die Barbarei, da sie sich historisch zugetragen hat, als chronische Möglichkeit einer Wiederkehr nicht mehr wegzudenken wäre. Adorno spitzte dies im Satz "Deutschland denken heißt Auschwitz denken!" zu. Anti-nationale DonnerstagsdemonstrantInnen, die diesen Satz auch auf Österreich bezogen haben und ein Transparent mit der Aufschrift "Österreich denken heißt Auschwitz denken" mit sich trugen, wurde von vielen anderen DemonstrantInnen Unverständnis, teilweise sogar Agression entgegengebracht. Schließlich geht es vielen DonnerstagsdemonstrantInnen längst viel mehr um den Erhalt des Sozialstaates, denn um die Beteiligung einer Partei mit dem ideologischen Hintergrund der FPÖ.

Neben den Faschismustheorien der Frankfurter Schule werden im Sammelband "Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft" aber durchaus auch Theorien behandelt, die in vielem widersprüchlich sind und in der Linken auch auf Wider-spruch stoßen müssen. Stefan Vogt sucht in einem Beitrag nach einem "kritischen Totalitarismusbegriff" bei Hannah Arendt, Franz Neumann und Max Horkheimer. Elfriede Müller schreibt über Republikanischen Nationalismus und Faschismus in Frankreich und Jochen Baumann macht sich Gedanken über Produkti-vität und Vernichtung im National-sozialismus. Dazu ergänzen noch eine Reihe weiterer Aufsätze das gut lesbare, aber trotzdem anspruchsvolle Buch. Diese sind durchaus unterschiedlich und teilweise widersprüchlich, legen aber wert auf die aktuelle gesellschaftliche Relevanz der behandelten Faschismustheorien.

Gerade für die Protestbewegung, die seit Februar 2000 jede Woche auf die Straße geht, um ihre Ablehnung gegenüber dieser FPÖ kundzutun, wäre es von großem Interesse, sich einmal die in diesem Buch versammelten Aufsätze anzusehen. So heterogen diese Protestbewegung nämlich ist, so verschieden sind auch die darin vorgestellten und behandelten faschismustheoretischen Ansätze.

jour fixe-initiative berlin (Hg.):
Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft; Münster, 2000
ISBN 3-89771-401-9