04/2011

Weg mit dem rassistisch-faschistoiden Gesetzespaket!

Abschiebung von seit langem in Österreich lebenden Menschen - Errichtung von Abschiebezentren - Ausweitung der Schubhaft - Schubhaft für Kinder - rassistische Selektion - Rot-Weiß-Rot-Card... Ein Kommentar zur geplanten Fremdenrechtsnovelle in Österreich.

Die Kritik am Fremdenrechtspaket wird seit Bekanntwerden der geplanten Änderungen immer lauter. Nachdem im Oktober 2010 aufgrund massiver Proteste eine geplante Gesetzesnovelle kurzfristig von der Tagesordnung des Minister_innenrates gestrichen wurde, wählten die Schreibtischtäter_innen einen für demokratische Verhältnisse merkwürdigen Weg: In aller Stille und fast schon im Geheimen wurde ein neuer, viel umfassenderer Gesetzesentwurf präsentiert. In den Medien wurde vor allem die Rot-Weiß-Rot-Card diskutiert, die in Anlehnung an die EU-Blue-Card die restriktive Visavergabe für den Schengenraum regelt. Als Kriterium gilt vor allem die Frage, ob die Migrant_innen für die EU bzw. Österreich "nützlich" sind. Sind sie es nicht mehr, droht ihre Abschiebung. Doch die Pläne, die neben der Rot-Weiß-Rot-Card das Fremdenpolizei-, Niederlassungs- und Aufenthalts, Staatsbürger_innenschafts und Asylgesetz betreffen, sind wesentlich weitreichender als die Einführung eines neuen Visaregimes.

Erst nach Ende der Begutachtungsfrist wurden die umfangreichen rassistischen Pläne bekannt, die sich die Beamt_innen des Innenminsteriums diesmal hatten einfallen lassen, und von manchen "Expert_innen" als die umfangreichste Novelle (bzw. Verschärfung) rassistischer Gesetze in Österreich bezeichneten werden.

Wie bei den zahlreichen Verschärfungen der Sondergesetze für Migrant_innen und Flüchtlinge in den vergangenen Jahren waren die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf durchgehend ablehnend.

Hier eine kurze Zusammenfassung einiger der geplanten Änderungen:

1. Bisher lag die Höchstgrenze für Schubhaft bei 10 Monaten, nun soll sie auf 18 Monate angehoben werden.

2. Schubhaft auch für minderjährige Asylsuchende (16 bis 18-Jährigen Jugendliche)

3. "Freiwillige" Schubhaft für Kinder

4. Keine regelmäßige richterliche Überprüfung der Schubhaft

5. Ausbau des Rechtsberatungssystem in vollkommener Abhängigkeit vom Innenministerium

6. Für viele unerfüllbare Sprachhürden vor der Einreise nach Österreich.

7. Neue Hürden für Nicht-EU-BürgerInnen. Menschen, die sich hier eine Existenz aufgebaut haben, wird mit Ausweisung gedroht.

8. Menschen, deren Aufenthaltsberechtigung erloschen ist, sollen ohne Chance auf Einspruch innerhalb von sieben Tagen abgeschoben werden.

9. Verletzungen der Straßenverkehrsordnung und Verwaltungsübertretungen sollen zu einem Einreise- und Rückkehrverbot führen können. Das könnte auch Opfer von Menschenhandel treffen, wenn sie als nicht-legalisierte Prostituierte gearbeitet haben.

Die Kritik geht nicht weit genug!

Die Novelle ist viel zu umfangreich, um hier im Detail auf die einzelnen Punkte eingehen zu können. Jeden Tag werden neue Details bekannt. So schrieb der Standard, dass auch die im Oktober kurzfristig abgesagte Einführung einer "roten Karte" für Asylwerber_innen am 22. Februar auch gleich im Minister_innenrat beschlossen werden soll. Die damit verbundene Internierung von Flüchtlingen ist jedoch in den aktuellen Gesetzesentwürfen gar nicht enthalten. Grund dafür dürften die massiven Proteste im Herbst 2010 sein, die zu einem Rückzieher der Schreibtischtäter_innen führten. Doch sollte bekannt sein, dass solche "Niederlagen" für die Behörden meist dazu führen, dass sie noch dreistere Pläne aushecken und versuchen, die Kritik ins Gegenteil umzukehren.

So geschehen nachdem im Oktober 2004 die noch unter scharz-blauer Regierung und Innenminister Strasser (ÖVP) beschlossene Asylgesetznovelle für verfassungswidrig erklärt wurde. Auf dieses Urteil folgte die Asyl- und Fremdenrechtsnovelle 2005, die am 1. Jänner 2006 in Kraft trat und massive Eingriffe in bestehende Aufenthaltstitel von sog. Drittstaatsangehörigen nach sich zog. Als Reaktion auf diese Gesetzesnovelle entstanden überall in Österreich Bleiberechtsinitiativen, die teilweise erfolgreich Menschen bei ihrem den Kampf für einen Aufenthaltstitel unterstützten. Doch ging die Kritik der meisten Bleiberechtsinitiativen nicht sehr weit, da sie sich fast ausschließlich für "gut integrierte Familien" einsetzen und die Schubhaft und Abschiebungen nicht grundsätzlich in Frage stellten.

Genau diese Internierungs- und Abschiebepraxis ist es, die mit der Gesetzesnovelle der Regierung Faymann (SPÖ) massiv ausgebaut wird - so zumindest der Plan. Somit können die Geburt eines Kindes, der Verlust eines Erwerbsarbeitsplatzes oder das Versäumen einer Frist dazu führen, dass Menschen innerhalb von sieben Tagen abgeschoben werden. Unabhängig davon, wie lange sie in Österreich leben - auch wenn sie hier geboren sind und ihr ganzes Leben hier verbrachten.

Die Kritik der meisten NGO's betrifft vor allem die Rechte von Kindern, denn die Behörden planen nicht nur die Ausweitung der :: Schubhaft in Anlehnung an die EU-Rückführungslinie auf 18 Monate (innerhalb von 3 Jahren), sondern auch die Internierung von Kindern. Eltern haben die Wahl, ob sie ihre Kinder freiwillig mit in Schubhaft nehmen, oder ob sie das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren. Dass das Recht auf Familienleben so mit Füßen getreten wird, ist klar, doch wundert es kaum, da Rechte in Österreich seit Jahren mit rassistischen Kriterien verknüpft sind. Jene, die über keinen gültigen Aufenthaltstitel bzw. den "falschen" Pass verfügt, werden ausgegrenzt und ihre Rechte massiv eingeschränkt.

Die Pläne zur Internierung von Kindern kommen aber nicht überraschend. Denn seit Jahren ist bekannt, dass das Innenministerium - in Anlehnung an einen Vorschlag des Menschenrechtsbeirates! - Schubhaftzentren errichtet, die "menschenrechtskonform" gestaltet werden.

Ein "humanes" Abschiebezentrum für die Internierung von Familien wurde vor kurzem in Wien Simmering in Betrieb genommen. Das ehemalige Kardinal-König-Integrationshaus, das vergangenes Jahr geschlossen wurde, wurde trotz massiver Kritik von NGO's und Wohlfahrtsverbänden in ein Abschiebelager umgewandelt. Laut Medienberichten wurden dort bereits erste Menschen vor ihrer Abschiebung festgehalten.

In Vordernberg im Bezirk Leoben in der Steiermark wird derzeit ein Abschiebegefängnis für 220 bis 250 Personen gebaut. Bei der lokalen Bevölkerung wurde mit den Argumenten für Zustimmung geworben, dass dort nur Familien interniert werden, die kurz vor der Abschiebung stünden und das Schubhaftzentrum nicht verlassen könnten.

Bei einer Bürger_innenbefragung Ende 2009 sprachen sich 69,86 Prozent der Bewohner_innen Vordernbergs für die Errichtung des Schubhaftzentrums aus. Im Vordergrund der dieser Abstimmung vorhergehenden Debatte stand der Nutzen, den die von Abwanderung geplagte Gemeinde daraus ziehen kann: "Schubhäftlinge bringen Geld." SPÖ Bürgermeister Walter Hubners Reaktion auf das Ergebnis gegenüber einer Lokalzeitung bestätigt diese Kosten-Nutzen-Abwegung auf Kosten von Menschen: "Es ist eine Riesenchance für den Ort, denn neben Gemeindeeinnahmen werden auch Arbeitsplätze geschaffen und können Jugendliche im Ort bleiben. Allein für den laufenden Betrieb werden mehr als 30 Dienstposten ohne Polizei benötigt."

Die rassistischen Gesetze ...

Interessant in der Diskussion rund um das Schubhaftzentrum in Vordernberg ist wohl vor allem, dass sich die FPÖ von Anfang an dagegen aussprach. Doch dafür sind Parteiinteressen entscheidend, denn die FPÖ versucht einmal mehr rassistische Stimmung zu machen. So wurde der ursprüngliche Plan, das Schubhaftzentrum in Leoben zu errichten, aufgrund der von FPÖ und BZÖ initiierten Proteste verhindert. Die Wahl viel dann auf Vordernberg, wo die SPÖ mit absoluter Mehrheit regiert.

Die FPÖ kritisiert, dass 20 Millionen in einen "Prestigebau" investiert würden und das Gefängnis zu einem Anstieg von Kriminalität führe. Das BZÖ bezeichnete das Schubhaftzentrum gar als "Palazzo Prozzo" und "5-Stern-Wellnessanlage".

Hintergrund dieser Kritik ist der Umstand, dass die Regierung bei der Ausschreibung des Projekts vorgab, dass das Gefängnis "menschenrechtskonform" gebaut werden soll - und im Gegensatz zu den Polizeianhaltezentren, wo Menschen in Schubhaft gefangen werden - für einen langen Aufenthaltszeitraum gedacht ist. Wie aus dem Gesetzesentwurf hervorgeht, wird die maximale Schubhaftdauer von bisher 10 auf 18 Monate erhöht - und es werden gleichzeitig die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, damit Kinder rechtmäßig in Schubhaft genommen werden können.

Zur Gestaltung des Gefängnisses erzählte Michael Anhammer von der Architekt_innenengruppe "Sue" aus Wien, die den Wettbewerb um die Planung des Gefängnisses gewann, der Kleinen Zeitung: "'Wie kann man das Leben für die Angehaltenen, die ja keine Häftlinge sind, aber in einer schwierigen Situation sind, wie kann man die Sache für sie erträglich machen?' Mit modernem Design, hellem Holz, viel Glas, viel Grün." Nicht am präsentierten Modell zu sehen: der hohe Stacheldrahtzaun (siehe Foto).

Während FPÖ und BZÖ vor allem auf rassistische Hetze setzen, zeigen sich SPÖ und ÖVP in harmonischer Einheit. Die ÖVP Innenministerin unterzeichnete die Verträge mit SPÖ Bürger_innenmeister Hubner, gemeinsam präsentierten sie die Pläne der Öffentlichkeit.

Und es ist kein Geheimnis, dass die SPÖ seit spätestens Anfang der 1990er Jahre maßgeblich für die Gestaltung der rassistischen Fremdengesetze verantwortlich ist. Selbst als Oppositionspartei stimmte sie für die Fremdenrechtsnovelle 2005, die unter Bundeskanzler Schüssel (ÖVP) beschlossen wurde.

... und ihre Auswirkungen

Als diese Gesetzesnovelle mit 1. Jänner 2006 in Kraft trat, wussten viele Menschen nicht, welche Auswirkungen die einzelnen Bestimmungen auf ihr Leben haben. Und es dauerte nicht lange, bis sich erste Initiativen formierten, die gegen das Gesetz Sturm liefen. So thematisierte Ehe ohne Grenzen, die vor allem die Diskriminierung von binationalen Paaren und die Bestimmungen, die eine Hochzeit mit "Drittsaatsangehörigen" massiv erschwerten und zur Abschiebung von Ehepartner_innen und Kindern führten.

Doch die Auswirkungen der Gesetzesnovelle 2011 sind viel massiver. So sieht der Plan vor, dass Menschen, wenn sie ihren Aufenthaltstitel verlieren, innerhalb von sieben Tagen abgeschoben werden können. Rechtsmittel dagegen soll keine aufschiebende Wirkung zukommen. Für den Verlust eines Aufenthaltstitel reicht in vielen Fällen, dass Menschen ihren Job verlieren oder ein Kind bekommen und damit nicht mehr über das offiziell benötigte Einkommen verfügen.

Die Art und Weise, wie derartige Bestimmungen exekutiert werden sollen, weisen in Richtung autoritär-faschistoidem Staat: Die Angestellten am Arbeitsmarktservice werden verplichtet, jeden Jobverlust von Migrant_innen bzw. Menschen ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus den Fremdenbehörden zu melden. Diese würden daraufhin in jedem Fall überprüfen, ob sich Änderungen ergeben haben, die den Ansprüchen für den gewährten Aufenthatstitel widersprechen. Falls dieser Fall eintritt, können die Schreibtischtäter_innen ein aufenthaltsbeendendes Verfahren einleiten, gegen das kein wirksames Rechtsmittel eingelegt werden kann. Die Folge: Schubhaft und Abschiebung.

Was tun?

Seit Jahren gibt es massive Kritik an der Internierungs- und Abschiebepraxis in Österreich bzw. der EU. Die Gestalter_innen des staatlichen Rassismus sitzen in allen Parteien. Kritik kommt - mit wenigen Ausnahmen - nur von manchen Grünen. Doch sollte nicht vergessen werden, dass der Rahmen, innerhalb dessen die EU-Staaten ihr Migrationsregime umsetzen wenig Differenzen zu dem hat, was die Grünen bereits seit Jahren fordern: Österreich müsse den Interessen der Wirtschaft folgen und dürfe nicht auf eine totale Abschottungspolitik setzen, wie der ehemalige Bundessprecher Van der Bellen immer wieder betonte. Die Grünen präsentierten immer wieder Modelle zur Steuerung von Zuwanderung, die sich vor allem an der "wirtschaftlichen Verwertbarkeit" orientierten - und stießen damit auch auf interne Kritik. Ein Thema, dass bei den Grünen Spitzen bis heute ignoriert wird, ist ein generelles Ende von Schubhaft und Abschiebungen. Das wundert auch nicht, weil diese Instrumente eine Voraussetzung für rassistische Selektionspolitik darstellen. Wie sollen Menschen nach "Verwertbarkeit" selektiert werden, wenn im Fall, dass die "Verwertbarkeit" nicht mehr gegeben ist, Menschen nicht wieder entfernt werden können?

Viele Menschen hoffen bei der Kritik an und den Protesten gegen die rassistischen Pläne des ÖVP-geführten Innenministeriums auf Grüne und SPÖ. Doch worauf basieren diese Erwartungen? Warum sollten Politiker_innen, die seit Jahren eine rassistische Politik mittragen und keine grundlegende Kritik am Abschiebekonsens äußern, plötzlich eine völlig andere Politik vertreten?

Am 22. Februar steht der Beschluss der Gesetzesnovelle auf der Tagesordnung des Minister_innenrates. Dort sitzen nur Politiker_innen aus SPÖ und ÖVP. Dass die Minister_innen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP gegen ihren eigenen Gesetzesentwurf stimmen, ist eher unwahrscheinlich. Damit ist das Gesetz zwar noch nicht beschlossen, doch auch im Parlament sind die Chancen, dass das Gesetzespaket abgelehnt wird, eher gering. Zwar ist eine Ablehnung der Grünen zu erwarten, doch reichen deren Stimmen für die Verhinderung der Gesetzesänderung nicht aus. Der Appell, der dieser Tage von allen Seiten in Richtung Politiker_innen der Parlaments-Parteien ergeht, gegen den Gesetzesantrag zu stimmen, wird unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht von Erfolg gezeichnet sein.

Trotzdem wird während des Minister_innenrates am Dienstag, 22. Februar 2011 ab 10:00 Uhr, zu einer Kundgebung gegen das Fremden'rechts'paket aufgerufen. ENARA hat angekündigt, dabei die drastischsten Aussagen gegen das grausige Fremdenrechtspaket zu sammeln und zu veröffentlichen.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Proteste wider Erwartung erfolgreich sind. Doch was kommt danach? Die Migrationspolitik der EU setzt auf Ausgrenzung und Selektion. Und stößt damit überall auf Widerstand, der immer wieder kriminalisiert und mit Gewalt niedergeschlagen wird. Die Richtung, in die diese Politik zielt, ist klar: Die rassistische Einteilung der Menschen, die Einteilung in "nützliche" und "unerwünschte Fremde" - wobei allein die Bezeichnung "Fremde" schon bedenklich genug ist. Sie spricht vielen Menschen per Definition ein Recht auf Aufenthalt bzw. Bewegungsfreiheit ab.

Ohne dass diese Politik beendet wird, scheint aus jetziger Sicht eine grundlegende Änderung unmöglich. Der Abschiebekonsens, der sich durch alle Gesellschaftsschichten und Parteien zieht, muss endlich gebrochen werden.

Für Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit für alle - überall!

 

Dieser Text ist Teil des Readers "another brick in the racist wall...", der im Zuge der Proteste gegen die Fremdenrechtsnovelle 2011 von einigen Antirassist_innen produziert wurde.