12/2001

Wider die totale Überwachung!

Durch die Anschläge in den USA und den Krieg in Afghanistan richtet sich die mediale Aufmerksamkeit derzeit einerseits auf den Terrorismus, der fast ausschließlich mit "islamischen Ländern" assoziiert wird, andererseits auf den Krieg, der vorgeblich geführt wird, um die "westliche Zivilisation" zu sichern. Durch die ständige Präsenz des Themas ist die allerorten ausgebrochene Betroffenheit auch nicht weiter verwunderlich. Unzählige Menschen meinen sich bedingungslos mit einer der beiden kriegsführenden Parteien solidarisieren zu müssen.

In dieser Situation fällt es den Regierungen vieler Staaten noch leichter als bisher, die staatliche Macht mittels Überwachung und Kontrolle auszubauen, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Die nun eilig beschlossenen "Antiterrorpakete", die angeblich vor TerroristInnen schützen sollen, beinhalten Maßnahmen, um die Bevölkerung in der Öffentlichkeit sowie im privaten Bereich zu bespitzeln, und beschneiden so ganz massiv die Freiheiten der Menschen. Offen ausgesprochen hat dies kürzlich FPÖ-Klubobmann Westenthaler, der für mehr "Sicherheit" die persönlichen Freiheiten jedes Einzelnen einschränken will. Da die Sicherheit, die er meint, jedoch in erster Linie für die Aufrechterhaltung der staatlichen Machtstrukturen zutrifft, steigt die persönliche Sicherheit nur unmerklich. So ergeht aus dem Grundtenor des Einsatzes für die Grundwerte der Menschen eine Stärkung der Polizei, des Militärs und nicht zuletzt der Geheimdienste. Es herrscht eine Stimmung, in der Grundrechte und Gesetze, die den Datenschutz betreffen, zugunsten der Allmacht des Staates aufgekündigt werden.

Normierung...

Die vielzitierten Freiheiten der "westlichen Zivilisation" - die es ja angeblich gerade mit dem Krieg in Afghanistan zu verteidigen gilt - sind im Begriff zu verschwinden. Wenn biometrische Daten (Irisdaten, DNS-Analysedaten, Fingerabdrücke, etc.) in den Pässen aufscheinen, flächendeckende Videoüberwachung die Handlungen im öffentlichen Raum aufzeichnet, private Kommunikation überwacht wird, die ArbeitgeberInnen über die Krankheiten, Lebensgewohnheiten etc. ihrer Angestellten Bescheid wissen, und sich bei Bedarf Akten von der Polizei kaufen können, um mit all den Daten Persönlichkeitsprofile und somit maßgeschneiderte Werbung zu kreieren, dann wird der Mensch in eine grundlegende Abhängigkeit und eine veröffentlichte Existenz gedrängt.
Als zentrale Fahndungsmethode gilt den staatlichen Verfolgungsorganen die Rasterfahndung. Das Verfahren, bei dem Daten der Menschen zusammengefasst und auf Abweichungen geprüft werden, wurde in Österreich im Zuge der Ereignisse nach dem Anschlag auf das World Trade Center ohne große Proteste auf weitere Jahre beschlossen. Dass damit die Chance, TerroristInnen zu entdecken, eher gering ist, da diese ja gerade versucht sind, in ihren Verhaltensmustern keine Hinweise auf ihre Aktionen zuzulassen, stört die EntscheidungsträgerInnen dabei nicht.

... und der Verstoß dagegen

Wenn mit so einer Methode überhaupt jemand gefunden wird, dann Menschen, die von einer von Staat und Gesellschaft festgelegten "Lebensnorm" abweichen. Allein diese Tatsache macht die Rasterfahndung zum Kernstück eines extrem repressiven Gesellschaftssystems, das auf Psychoterror und Überwachung aufbaut. Denn allein eine Norm zu definieren ist bereits ein zentraler Widerspruch zu jeder wie auch immer gearteten individuellen Freiheit. Aus Menschen, die andere Lebensformen, Meinungen oder Gedanken als die der Mehrheit vertreten, Tatverdächtige bzw. mutmaßliche TerroristInnen zu machen, kann nur zu einem Klima führen, in dem Freiheit, Kreativität und kritisches Betrachten der gesellschaftlichen Verhältnisse erstickt werden.

Ein weiterer wichtiger Wunsch der Innenminister ist die lückenlose Überwachung des Internets und des Telefonverkehrs. Mittels Reizwörterüberprüfung wird die Telefon- und Internetkommunikation nach "verdächtigen" Wörtern durchforstet, um potentielle TäterInnen aufzuspüren. Zumindest die Kommunikation per E-Mail kann derzeit noch mittels Verschlüsselung vor staatlichen (und anderen) MitleserInnen geschützt werden. Kein Wunder also, dass auch in diesem Bereich gesetzliche Änderungen angestrebt werden: Weltweit wird über Einschränkungen im Bereich der Verschlüsselung diskutiert, das geht vom Einbau von Generalschlüsseln, die das Mitlesen für staatliche Stellen ermöglichen, bis zum Totalverbot von privater Verschlüsselung wie es bereits in Frankreich praktiziert wird. Ausgenommen von solchen Verboten sollen natürlich die Bereiche sein, in denen es zur Beeinträchtigung von wirtschaftlichen Interessen kommen könnte. Denn logischerweise haben Firmen ein grundlegendes Interesse an der Wahrung ihrer Betriebsgeheimnisse und den erstellten KundInnenprofilen. Gegen die vielbeschworenen "TerroristInnen" nutzen all diese Maßnahmen freilich nichts, denn warum sollten sich diese an solche Gesetze halten? Ganz abgesehen davon, dass sie sich hüten werden, ihre Pläne über solch unsichere Medien - wie es Telefon und Internet nun mal sind - zu kommunizieren.

Big Brother is watching you... NOW!

Der nächste Punkt, die Videoüberwachung, führt uns nach England, ein Land, das in dieser Hinsicht eine "Vorreiterrolle" einnimmt. So gibt es in einigen englischen Städten mittlerweile eine beinahe flächendeckende Videoüberwachung. Angeblich könne damit die Kleinkriminalität massiv reduziert werden. Doch die Realität sieht anders aus: Das Gefühl der absoluten Überwachung führte zu einem Rückgang der Meldungen durch die Bevölkerung, die Aufklärungsquote sank, statt wie "versprochen" zu steigen. Aber - wenig überraschend - auch ein wirtschaftlicher Nutzen wird aus den vielen Kameras gezogen: Mittlerweile verdient sich so manche britische Polizeiwache ein Zugeld durch den Verkauf der Überwachungsbänder an Fernsehstationen.

Im Dienste der Wirtschaft

Die gesammelten Daten und Verhaltensmuster der Individuen erhalten eine neue Dimension, wenn sie in das ökonomische System eingegliedert werden, sprich damit gehandelt wird. Dieser Markt boomt in einem unglaublichen Ausmaß. So werden für einen "guten" Datensatz mittlerweile Preise von mehr als 2.000 Schilling bezahlt. Die österreichische Firma Schober hat mehr als 5 Millionen davon - zusammengestellt aus Fragebögen, die im Zusammenhang mit Gewinnspielen auszufüllen waren.

Endprodukt: Die maßgeschneiderte Werbung für jedeN einzelneN, analysiert und perfektioniert durch umfassendes Wissen über Vorlieben, Eigenheiten, Einkommen und andere private Details. Die ökonomischen und staatlichen Methoden an die Daten der Menschen heranzukommen, sind unterschiedlich, der Fluchtpunkt ist jedoch derselbe: Ein autoritärer Überwachungsstaat soll eingebettet in eine alles bestimmende ökonomische Maxime das historische Endprodukt der menschlichen Evolution sein. Gerade ein solcher Staat muss auf das Entschiedenste bekämpft werden.

Doch angeblich gibt es ja den Datenschutz, der den Austausch von staatlich (durch Überwachungsmaßnahmen) und ökonomisch (durch Kreditkartenzahlung, Treue und Kundenkarten etc.) gewonnenen Daten weitgehend verhindern soll. Dass dem nicht so ist, zeigt sich manchmal auch ganz offen: Seit Mai 2000 gibt es in Österreich für Firmen - ganz legal - die Möglichkeit, beim Innenministerium "Auskünfte über die Vertrauenswürdigkeit eines Menschen anhand personenbezogener Daten" zu kaufen. Je nach Vertraulichkeit der Daten ("vertraulich", "geheim", "streng geheim") steigt der Preis. Dass die Daten jedes Menschen wie selbstverständlich am "freien" Markt zu erwerben sein werden, ist jedoch nur eine Frage der Zeit. Natürlich wird es auch weiterhin eine minimale Form des Datenschutz geben - der wird aber nur die Bereiche betreffen, die wirtschaftlich relevant sind.

Der Missbrauch von Daten trifft die "unteren" Bevölkerungsschichten im sozialen Gefüge vergleichsweise härter: Sie sind über ihre Rechte oft nicht aufgeklärt und haben kaum Mittel sich zu verteidigen, können Vergehen und "Verbrechen" weniger versteckt ausführen und sind letztendlich der staatlichen/polizeilichen Willkür ausgeliefert.

Nichts zu verbergen?

Viele Menschen reagieren auf Warnungen vor einer stark überwachten Gesellschaft mit Spott und meinen, wer etwas zu verbergen hat, habe Angst, dass seine kriminellen Aktivitäten bekannt werden. Das beweist, wie stark die propagandistischen Forderungen, die Überwachung als Sicherheitsmittel für die Bevölkerung aufzubauen, Anklang gefunden haben. Argumente für den Erhalt des Datenschutzes werden kaum wahrgenommen, der Schutz der Privatsphäre nicht für wichtig erachtet. Zusätzlich wird jedem Menschen so verständlich gemacht, dass er/sie prinzipiell schuldig ist - der Beweis der Unschuld muss im Auge der Überwachung ständig erneut erbracht werden. Darauf lässt sich schwer ein selbstbewusstes Leben aufbauen.

Aber: Hat nicht jeder Mensch Geheimnisse, Eigenheiten oder Vorlieben, die nur sie/ihn und vielleicht die engsten Freunde etwas angehen? Machen nicht gerade diese "Geheimnisse" das Individuum Mensch aus, und sind es nicht gerade sie, die die Vielfalt menschlicher Existenzen erst ermöglichen? Ist nicht jede gesellschaftliche Norm ein irrationales Konstrukt, das unsere wahren Bedürfnisse nach einem erfüllten und lustvollen Leben dem "Diktat des Systems" unterwerfen will?

Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren!

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